Geschichte
Die Reitanlage
Die über hundert Jahre alte Reithalle - im Jahr 1904 erbaut - mit den Stallungen bildet das Kernstück der Reitanlage. Zu der in Erbpacht befindlichen Anlage gehören weiterhin der Außenreitplatz, das ehemalige Gärtnerhaus und heutige Jugendstübchen, die Weiden und Paddocks, und nicht zuletzt die Langwiese als Turnierplatz. Mit einem Gras-Springplatz, Flächen für zwei Gras-Dressurplätze und einer Geländestrecke, die auf unserer Turnierwiese und dem angrenzenden Schlosspark für den Einsteiger bis zum Fortgeschrittenen allen Ansprüchen gerecht wird, sind wir gut gerüstet für die Austragung von internationalen Vielseitigkeiten, Bundesveranstaltungen und Meisterschaften.
Der Grundeigentümer von all diesem ist zugleich unser größter Sponsor, Dr. Hubertus Riedesel Freiherr zu Eisenbach. Der herzliche Dank der Vereinsmitglieder gilt ihm und seiner Familie, hier vor allem seinem verstorbenen Vater Kraft Riedesel Freiherr zu Eisenbach, Erbmarschall zu Hessen, für die Unterstützung des Reit- und Fahrvereins Lauterbach Stadt und Land e.V. in der Vergangenheit bis heute.
Das Haus Riedesel hat zweimal nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg entscheidend zur Gründung dieses Vereins beigetragen und war Jahrzehnte im Vorstand tätig.
Reiten in Sickendorf wäre nicht vollständig genannt ohne an Max von Willich zu gedenken. „Onkel Max“, der Reiter, Fahrer und Richter vieler Turniere und Schlossherr zu Sickendorf bleibt als Pferdeliebhaber und Original bis zu seinem letzten Turnier im Park in unserer Erinnerung.
Er legte mit die Grundlage für unseren vielseitigen Verein.
Der Gutshof stand über viele Jahre - als separate Anlage im Besitz der Familie Riedesel - für die Unterbringung und Versorgung weiterer Pferde zu Verfügung, nachdem dort die aktive Landwirtschaft eingestellt worden war. Bis zum Verkauf des Gutshofs und endgültiger Einstellung der Bewirtschaftung war Gutsinspektor Reinhard Schlotte unermüdlicher Helfer von Reitern und Pferden und das glücklicherweise sehr großzügig, aber auch mit dem Wunsch nach entsprechendem Benehmen und Ordnung auf „seinem“ Hof. Herr Reinhard Schlotte ist mittlerweile verstorben, bleibt aber in unvergesslicher Erinnerung aller Vereinsmitglieder, die ihn kannten und die mit ihm zu tun hatten.
Rückblick Von Professor Dr. Karl-August Helfenbein
Sickendorf ist seit 1750 ein alter Herrensitz der Riedeselschen Familie gewesen, der sich zunächst durch eine Burg-, später durch eine Schlossanlage auszeichnete. Auch diese wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zerstört, wurde Opfer eines Brandes.
Freiherr Albrecht Riedesel, gestorben 1916, der Stockhäuser Burglinie entstammend, erbaute vor 1900 eine völlige Neuanlage. Das heutige Schloss gestaltete er im Sinne der historistischen Kunstrichtung wie sie sich im Hamburger Villenbau darstellt. Es wurde so Heimat seiner Frau Gertrud, gestorben 1968, die der Hansestadt an der Elbe entstammte. Das Schloss besitzt einen Wartturm, erinnernd an die frühere Burganlage Sickendorf. Baronin Gertrud erweiterte den Schlossbau durch ein gut angepasstes Logierhaus, durch einladende Gästezimmer. Baron Albrecht, Kavallerieoffizier, war wie fast alle Riedeselschen Freiherrn leidenschaftlich dem Pferdesport zugetan, erbaute eine Reithalle und den dazugehörigen Pferdestall um 1904/1905. Er nutzte auch zur Ausfahrt und Ausritt einen zauberhaften Alleenweg nach Allmenrod.
Der zweite Mann von Baronin Gertrud, Freiherr Max Willich, genannt von Pöllnitz, gestorben 1972, war durch den Beruf des Vaters, des Landesstallmeisters am großherzoglichen Hof, und als Kavallerieoffizier dem Reitsport zu innerst verbunden. Er unterstützte Baron Hermann Riedesel, bis 1918 ehemaliger Gestütsdirektor, beim Auf· und Ausbau des Reit- und Fahrvereins Mitte der zwanziger Jahre.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde es möglich, mit dem aus dem Osten geflohenen Oberst a.D. Kurt Voigt und seiner Frau, die in Sickendorf heimisch wurden, einen Reitstall aufzubauen, der zunächst vornehmlich von den amerikanischen Besatzungsoffizieren genutzt wurde. Er bestand zum Teil aus Beutetieren der sich hier auflösenden Wehrmachtseinheiten, zum Teil aber auch aus qualifizierten Sportpferden, die das genannte Ehepaar auf der Flucht aus heimischen Ställen Ostdeutschlands mitführen konnte. Sickendorf wurde so zur Aufbauzelle des neu entstandenen Reit- und Fahrvereines 1948. Er besaß in Max Willich einen vorzüglichen Reitlehrer und in seiner erfolgreichen Aufbauphase in Frau Voigt eine der qualifiziertesten Turnierkämpferin Osthessens. In Sickendorfs großzügiger Park- und Wiesenanlage, die die Einrichtung sportgerechter Reitbahnen erlaubte, wurde so eine für den Pferdesport begeisterte Jugend groß. Sie fand beispielhafte Unterstützung durch Mitglieder des Riedeselschen Hauses und durch das Vereinsengagement seiner Mitarbeiter.
Die Sickendorfer Reitkunstveranstaltungen ehren die Geschichte des Herrensitzes und steigern die Ästhetik des Schlosses und seines Parkes.